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Fuldaer Zeitung: Griechenland: Spitze des Eisbergs oder Sonderfall?

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IMG_1059.JPGEs ist aktuell eine beliebte Geschichte. Griechenland sei ein Sonderfall. Es war richtig und notwendig, dass mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM die Finanzmärkte beruhigt wurden und mit der Bankenunion Stabilität in das Finanzsystem gebracht wurde. Und es war notwendig, Zeit zu gewinnen, damit die Eurostaaten ihre notwendigen Strukturreformen durchführen konnten. Die Entwicklung der ehemaligen Programmländer Spanien, Portugal und Irland zeige dies beeindruckend: Schon 2014 habe Spanien ein Wachstum von 1,4 Prozent aufweisen können, und für dieses Jahr werde sogar mit 2,9 Prozent gerechnet. Die Arbeitslosigkeit gehe zurück, und sogar die Häuserpreise in der von einer schweren Immobilienblase gebeutelten iberischen Halbinsel stiegen wieder. Ähnlich scheint es in Portugal zu sein: Auch dort erwartet man ein positives Wachstum von 1,6 Prozentpunkten, und auch die Arbeitslosenzahlen sinken. Und der keltische Tiger auf der Insel kann vor Kraft fast gar nicht mehr laufen. Für dieses Jahr werden 3,6 Prozent prognostiziert, das höchste Wachstum in der EU.
Haben der Euro-Club, die Europäische Union und die Retter von damals es doch richtig gemacht? War es notwendig, Zeit zu gewinnen, und ist diese Zeit genutzt worden? Wer dies beurteilen will, muss auch die andere Seite betrachten. Seit dem Ausbruch der Bankenkrise 2007 hat Frankreich 15 Prozent seiner Industrieproduktion verloren, Portugal über 23 Prozent, Italien über 25 Prozent und Spanien sogar über 29 Prozent. Irland dagegen hatte nie ein Problem seiner Wettbewerbsfähigkeit, sondern ein überschuldetes Bankensystem, das die Regierung mit Hilfe der Notenpresse der nationalen Notenbank und unter Billigung der EZB gerettet hat. Doch die Probleme der lateineuropäischen Ländern waren und sind ungelöst groß. Die Arbeitslosigkeit sinkt durch den Exodus der qualifizierten und jungen Menschen aus Spanien, Portugal und Italien, die mangels beruflicher Perspektiven ihre Zukunft andernorts sehen. Die Verschuldung des Staates, der privaten Haushalte und Unternehmen hat ein historisches Höchstmaß erreicht. Der spanische Staat hat inzwischen ein Verschuldungsniveau erreicht, dass nicht mehr so fern ist vom griechischen. Inzwischen liegt es mit allen Schattenhaushalten, den Schulden der staatlichen Unternehmen und der Sozialversicherungen auf einem Niveau von 144 Prozent zur Wirtschaftsleistung. Allein 250 Milliarden Euro an faulen Immobilienkrediten schlummern in den Bilanzen der Banken oder sind dort in Bad-Banks ausgelagert worden. In Italien sieht es nicht viel besser aus. Die offizielle Staatsschuld dort beträgt 132 Prozent zur Wirtschaftsleistung. Die faulen Kredite betragen inzwischen 187 Milliarden Euro, das entspricht über 11 Prozent des gesamten Kreditvolumens an Unternehmen und private Haushalte – normal wären 2 bis 3 Prozent. Doch das Volumen steigt von Monat zu Monat weiter und war historisch noch nie so hoch. Es ist insgesamt ein Beleg für die darbende italienische Wirtschaft.
Es dauert also noch sehr lange, bis diese Länder ihr altes wirtschaftliches Niveau erreichen. Daher kann man auch eine Prognose wagen, wie lange die EZB mit ihrer Zinsmanipulation noch fortfährt – mindestens zehn Jahre. Denn so lange bräuchte Spanien, um mit einem Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent auf den Ursprungswert des Jahres 2007 zu kommen. Denn alles baut darauf auf, dass das Zinsniveau in Südeuropa künstlich von der EZB niedrig gehalten wird. Steigen die Refinanzierungskosten für die Regierungen, die Unternehmen und die privaten Haushalte auf ein normales Niveau, dann ist sofort Schicht im Schacht. Welche Einschläge das haben kann, mussten die Halter von Staatsanleihen in dieser Woche schon bitter erfahren. Still und heimlich hat hier einer der größten Crashs in der Geschichte der Anleihenmärkte stattgefunden. Anfang April betrug die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen des Bunds noch 0,05 Prozent, aktuell rentiert sie mit 0,78 Prozent. Weltweit haben durch den Zinsanstieg Anleger 900 Milliarden Dollar verloren. Das sind zwar nur rund zwei Prozent des weltweiten Anleihenkapitals, aber in einem Markt, der sonst nur im hinterem Nachkommabereich sich bewegt, ein außergewöhnliches Ereignis. Das lässt vermuten, dass die Notenbanken weltweit kurz vor einer neuen Interventionswelle stehen und noch mehr Geld in die Blase pumpen, damit die Kapelle auf Deck der Titanic weiter spielen kann und die Euro-Retter die Geschichte vom Sonderfall in Griechenland weiter erzählen können – bis zum nächsten Crash.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.

Foto: Patrick McDonald auf Flickr.


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